tigersprungblog

Notizen, Gedanken, Meinungen zum Profiradsport

Monat: Februar, 2010

Keine Rezession im Radsport

Im niederländischen „Algemeen Dagblad“ erschien im Rahmen einer Vorstellung der im Profipeloton vertretenen Spitzenteams ein bemerkenswerter Artikel, der eine sehr zutreffende Aussage bezüglich der Gesamtentwicklung des hierzulande oft schon mit Abgesang bedachten Profiradsports formuliert. Der Autor kommt nämlich zu dem Schluss, dass von einer vielbeschriebenen Rezession im Profizirkus längst nicht die Rede sein kann. Die besten Beispiele für ehrgeizige und auf Langfristigkeit ausgelegte Projekte seien hier Katusha und das neue Team Sky genannt, die längst die Lücke zu den im absoluten Spitzenbereich etablierten mitteleuropäischen Spitzenteams geschlossen haben. Auch Bob Stapletons HTC-Columbia, Jonathan Vaughters Slipstream-Projekt (aktuell Garmin-Transitions) und das von den Cervélo-Gründern Phil White und Gérard Vroomen gleichnamige aufgestellte „TestTeam“ haben sich als erfolgreiche Modelle herauskristallisiert, hinter denen allesamt große und erfolgreiche Unternehmen stehen. In Deutschland konnte man bisweilen den Eindruck gewinnen das Gegenteil sei der Fall, denn Rennen als auch Mannschaften verschwanden. Neben der unterschiedlichen Wahrnehmung der Dopingproblematik und dem nicht vorhandenen Fall eines nationalen Sportheldens wie Jan Ullrich im ehemaligen Magenta-Land, haben die internationalen Konzerne außerhalb Deutschlands und auch teilweise außerhalb Europas den großen Werbewert des Radsports verstanden. In kaum einer anderen Sportart rentiert sich jeder in eine Mannschaft investierte Euro so sehr wie im Radsport. Nicht nur die Internationalität der Auftritte und die weiterhin bestehende massive Fernsehpräsenz spielen hier eine Rolle, sondern ebenso die Bedeutung der Geldgeber für das Erscheinungsbild des Teams. In diesem Fall ist ein Unternehmen nicht nur Geldgeber, sondern auch Namensgeber und somit ein großer Bestandteil in der Außenerscheinung der unter Vertrag stehenden Sportler. Während in Mannschaftssportarten oder Sportarten mit nationalen Auswahlen der Sponsor nur kurze Bindungskraft so wie Werbewirksamkeit erlangt, verbinden Radsportfans den Namen der Geldgeber unmittelbar mit dem ihrer Idole. Rennställe wie Quick Step in Belgien, Bouygues Telecom in Frankreich oder Euskaltel-Euskadi in Spanien bzw. dem Baskenland sind unlängst feste Institutionen, in denen sich die Hoffnungen der jeweiligen Radsportnation wiederfinden. Bedingt durch diese feste Bindungen an die Teams besitzen erfolgreiche Sponsorings zudem Strahlkraft über mehrere Jahre oder Jahrzehnte, so etwa der legendäre Mapei-Rennstall um Stars wie Johan Museuw oder der US-Postal-Express von Lance Armstrong, die einer kaum bleibenden Erinnerungen von Investments in anderen Sportarten gegenüber stehen. Hauptsponsoren von erfolgreichen Mannschaften in anderen Bereichen, in denen die Identifikation über den Verein erfolgt, profitieren deshalb nicht annähernd so langfristig von ihrem jeweiligen Investment. Die Attraktivität des Radsports für mögliche Sponsoren hat also in der Gesamtheit betrachtet nicht abgenommen, sondern eher zugenommen und gerade das sollte uns deutsche Radsportfans optimistisch stimmen, dass die Talfahrt in manchen Bereichen bei uns ein Ende finden wird. Die Gründung des Teams NetApp, welches bereits durch eine öffentlichkeitswirksame Präsentation im Rahmen der Welttitelkämpfe von Mendrisio und einem hochprofessionellen Auftritt inklusive der Ankündigung eines Drei-Jahres-Plans zum Aufstieg in die ProTour einen solchen erfolgversprechenden Weg aufzeigte, liefert das perfekte Beispiel für einen möglichen neuen Aufbruch in Deutschland.

 

Tour de France et Allemagne – Ein Ansatz mit Zukunft?

Die Frage nach Innovationen im Radsport sorgt wiederkehrend oft für viele Diskussionen, ungewöhnlich ist jedoch wenn Vorschläge von Außen kommen und an den Sport herangetragen werden. Eine solche Idee formulierte jüngst der vor einem Jahr geschaffene Club ParisBerlin in seinem Werk „99 Ideen für die deutsch-französische Freundschaft“, die der Zirkel, bestehend aus Publizisten, Medien- und Wirtschaftsvertretern beider Länder, als Ziel seines Wirkens nennt. Fast am Ende beinhaltet der Katalog unter Punkt Nummer 97 den Vorschlag zu einer deutsch-französischen Rundfahrt, die aus der Erweiterung der Tour de France um einen deutschen Part im Fünf- oder Zehnjahresrythmus erwachsen soll. Als Beispiel wird eine Route von der Ostsee über die deutschen und französischen Alpen bis nach Paris genannt, in deren Rahmen die Übertragung mit entsprechenden Bildern beide Länder entsprechend präsentieren könnte. Ohne Frage ist das weitere Zusammenwachsen beider Länder ein hehres Ziel, doch ein solches Vorhaben dürfte aus guten Gründen ein Gedankenkonstrukt bleiben. Elementar steht dem entgegen, dass die von der Amaury Sport Organisation veranstaltete Frankreichrundfahrt unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Tragfähigkeit gesehen werden muss und angesichts des oft bizarren Umgangs in Deutschland mit der Dopingproblematik so wie dem Ausstieg mehrerer namhafter Sponsoren dürfte man hierzulande trotz der Begeisterung für den Sport in der Bevölkerung nur schwerlich in den Genuss kommen die Große Schleife zeitweise zu beherbergen, geschweige denn in einem gewissen Zyklus festgeschriebener Bestandteil zu sein. Dem gegenüber stehen zeit- und geldaufwendige Bemühungen von Metropolen wie London, Barcelona, Monaco, Sydney oder Rotterdam alleine schon für die Auftaktetappen. Derartige Ausflüge garantieren neben hohen Einschaltquoten die Wahrung der internationalen Bedeutung und angemessene Präsentation der Sponsoren, was von Deutschland derzeit leider nicht gewährleistet werden kann. Ohne Geldgeber aus der Wirtschaft wären zudem einzelne Kommunen außerdem nicht in der Lage die oft horrenden Kosten für die Tour de France zu stemmen, als Konsequenz würde die Streckenplanung zu einem finanziellen Drahtseilakt verkommen. Die ASO tut gut daran die Tour als Premiumprodukt zu wahren und den ursprünglichen Charakter mit den traditionellen Teilen wie Pyrenäen oder Alpen, die bei einer Zwei-Landesrundfahrt in diesem Umfang nicht beibehalten werden könnten, nicht zu verändern. Doch wer weiß schon, was die Zukunft bringt, schließlich formuliert der Zirkel einen Zeitrahmen für mögliche Vorhaben bis 2020, um sich die eigene Kühnheit zu gestatten, denn mutig ist dieser Vorschlag allemal. Vielleicht könnte dieser sogar der Stein für einen Anstoß zur Planung neuerer Rennen in Deutschland sein und die Vorstellung für neue Projekte öffnen, um den deutschen Radsport wieder auf die Beine zu helfen. Events über zwei verschiedene Länder sind dafür ein durchaus brauchbarer Ansatz, über den es nachzudenken lohnt.