Keine Rezession im Radsport
Im niederländischen „Algemeen Dagblad“ erschien im Rahmen einer Vorstellung der im Profipeloton vertretenen Spitzenteams ein bemerkenswerter Artikel, der eine sehr zutreffende Aussage bezüglich der Gesamtentwicklung des hierzulande oft schon mit Abgesang bedachten Profiradsports formuliert. Der Autor kommt nämlich zu dem Schluss, dass von einer vielbeschriebenen Rezession im Profizirkus längst nicht die Rede sein kann. Die besten Beispiele für ehrgeizige und auf Langfristigkeit ausgelegte Projekte seien hier Katusha und das neue Team Sky genannt, die längst die Lücke zu den im absoluten Spitzenbereich etablierten mitteleuropäischen Spitzenteams geschlossen haben. Auch Bob Stapletons HTC-Columbia, Jonathan Vaughters Slipstream-Projekt (aktuell Garmin-Transitions) und das von den Cervélo-Gründern Phil White und Gérard Vroomen gleichnamige aufgestellte „TestTeam“ haben sich als erfolgreiche Modelle herauskristallisiert, hinter denen allesamt große und erfolgreiche Unternehmen stehen. In Deutschland konnte man bisweilen den Eindruck gewinnen das Gegenteil sei der Fall, denn Rennen als auch Mannschaften verschwanden. Neben der unterschiedlichen Wahrnehmung der Dopingproblematik und dem nicht vorhandenen Fall eines nationalen Sportheldens wie Jan Ullrich im ehemaligen Magenta-Land, haben die internationalen Konzerne außerhalb Deutschlands und auch teilweise außerhalb Europas den großen Werbewert des Radsports verstanden. In kaum einer anderen Sportart rentiert sich jeder in eine Mannschaft investierte Euro so sehr wie im Radsport. Nicht nur die Internationalität der Auftritte und die weiterhin bestehende massive Fernsehpräsenz spielen hier eine Rolle, sondern ebenso die Bedeutung der Geldgeber für das Erscheinungsbild des Teams. In diesem Fall ist ein Unternehmen nicht nur Geldgeber, sondern auch Namensgeber und somit ein großer Bestandteil in der Außenerscheinung der unter Vertrag stehenden Sportler. Während in Mannschaftssportarten oder Sportarten mit nationalen Auswahlen der Sponsor nur kurze Bindungskraft so wie Werbewirksamkeit erlangt, verbinden Radsportfans den Namen der Geldgeber unmittelbar mit dem ihrer Idole. Rennställe wie Quick Step in Belgien, Bouygues Telecom in Frankreich oder Euskaltel-Euskadi in Spanien bzw. dem Baskenland sind unlängst feste Institutionen, in denen sich die Hoffnungen der jeweiligen Radsportnation wiederfinden. Bedingt durch diese feste Bindungen an die Teams besitzen erfolgreiche Sponsorings zudem Strahlkraft über mehrere Jahre oder Jahrzehnte, so etwa der legendäre Mapei-Rennstall um Stars wie Johan Museuw oder der US-Postal-Express von Lance Armstrong, die einer kaum bleibenden Erinnerungen von Investments in anderen Sportarten gegenüber stehen. Hauptsponsoren von erfolgreichen Mannschaften in anderen Bereichen, in denen die Identifikation über den Verein erfolgt, profitieren deshalb nicht annähernd so langfristig von ihrem jeweiligen Investment. Die Attraktivität des Radsports für mögliche Sponsoren hat also in der Gesamtheit betrachtet nicht abgenommen, sondern eher zugenommen und gerade das sollte uns deutsche Radsportfans optimistisch stimmen, dass die Talfahrt in manchen Bereichen bei uns ein Ende finden wird. Die Gründung des Teams NetApp, welches bereits durch eine öffentlichkeitswirksame Präsentation im Rahmen der Welttitelkämpfe von Mendrisio und einem hochprofessionellen Auftritt inklusive der Ankündigung eines Drei-Jahres-Plans zum Aufstieg in die ProTour einen solchen erfolgversprechenden Weg aufzeigte, liefert das perfekte Beispiel für einen möglichen neuen Aufbruch in Deutschland.