Vuelta in „Holanda“

Vuelta – Eine Sehnsucht


Seit ich mich für den Radsport begeistere, ist die Spanienrundfahrt für mich immer eines der schönsten Rennen der Saison gewesen, denn seit ich mit dem Team Telekom Eurotour Cycling oder dem Radsportmanager um die Siege auf den virtuellen Straßen fuhr, gelangen mir stets bei der Vuelta die größten Erfolge. Diese besondere Fokussierung auf die dritte der großen Landesrundfahrt rührte daher, dass ich in Erwartung jenes erstgenannten Videospiels mit den Autogrammkarte der Magenta-Mannschaft um unseren bisher einzigen wohlbekannten Toursieger stundenlang Überlegungen zu der wohl besten Formation für jene zu dem Zeitpunkt im realen Radsport anstehende Vuelta anstellte. Diese besondere Begeisterung setzte sich über Jahre fort, doch im Gegensatz zu den deutschen Rennen wie der leider nicht mehr ausgetragenen Niedersachsen-Rundfahrt war die Schleife durch Spanien immer irgendwie sehr weit weg. Diese Perspektive änderte sich, als bekannt wurde, dass die Vuelta 2009 in den Niederlangen starten und über vier Tage dort und in Belgien bleiben würde. So entstand damit eine wohl für die nächsten Jahre einmalige Gelegenheit das Fahrerfeld der Vuelta, wenn auch in ungewohnter Umgebung, zu erleben.

Tag 1: Der Blick durch den Zaun


Es ergab sich, dass ich gemeinsam mit dem sehr reiselustigen Christopher Jobb diesen Besuch in Angriff nehmen wollte. Morgens früh mit dem Zug gestartet traf ich mich mit Christopher am Tag des Prologs am Samstag um zehn Uhr am Bahnhof in Schüttorf, von dort wir weiter mit dem Auto in Richtung Nachbarlang fuhren. Leicht müde von der Party am Vorabend entfaltete sich beim noch herlichstem Wetter und netter Plauderei bald die ganze Vorfreude, die sich weiter steigerte, als wir am Straßenrand ein Mannschaftszeitfahren sichten konnten. Diese Stimmung ließ sich kaum davon trüben, dass sich die Suche nach unserer Pension etwas schwierig gestaltete. Vom Navigationssystem in das Nachbardorf geleitet suchten wir vergebens die angegebene Nummer des Hauses, das eigentlich dort hätte stehen müssen, wo ein Maisfeld platziert war. Ein sehr hilfsbereiter Postbote klärte und schließlich auf, dass wir zwar im Kreis Rhede waren, aber nicht Borsum. Danach war es kein großes Problem mehr unsere Unterkunft zu finden und dort schnell unser Zimmer zu beziehen, unsere Sachen zu sortieren und schließlich mit den nötigen Utensilien wie Kamera wieder aufzubrechen. In Richtung des Motorradrundkurses zogen bereits dunkle Wolken auf, die wir vorerst ignorierten und im großen Andrang den Weg zum Parkplatz suchten und fanden. In der Gewissheit der langen Zeit bis zum Start machten wir uns zunächst einmal auf Entdeckungstour und stießen nach wenigen Minuten auf einen Stand mit einem Vuelta-Paket, das neben einem T-Shirt und Kappe mehrere Kleinigkeit enthielt und zu unserer ersten Errungenschaft wurde. Nach einem kurzen Blick auf das Gelände brachten wir unsere Tüten wieder zum Auto und begaben uns dann zur Strecke, wo uns eine böse Überraschung erwartete. Eine Sondierung nach der Begutachtung mehrerer Stände ließ uns ungläubig staunen, dass man die Zuschauer nur auf die Tribünen und die „Deiche“ hinter den Stahlzäunen ließ, nicht aber auf direkt auf die Strecke und das obwohl, dort Absperrungen ein hohes Maß an Sicherheit garantiert hätte. Ein weiter Rundgang bestätigte dies, sodass uns nur der Blick durch den Maschendrahtzaun blieb, während die Ordner im Kiesbett sich zum Anfeuern zusammenfanden. Der Stimmung tat dies doch nicht lange Abbruch, denn die vielen Fans, die vor allem die einheimischen Fahrer lautstark anfeuerten, ließen Freude aufkommen. Die Startliste in den Zaun klemmend beobachteten wir bald die ersten Fahrer, die den Kurs unter die Räder nahmen. Christopher gelang es mit seiner Kamera trotz der unguten Position zahlreiche gute Fotos zu schießen, während ich wegen der Distanz zu den Profis darauf verzichtete. Bei meinen Rennbesuchen der Deutschlandtour in Bielefeld und Bremen hatte es immer aus Kübeln geregnet und auch diesmal wurden wir von mehreren starken Schauen heimgesucht, sodass wir zweimal hektisch die Flucht ergriffen, um unter Kassenhäuschen oder Büschen Unterstand zu finden.

Glücklicherweise blieben wir in der Endphase von weiteren Wolkenbrüchen verschont, sodass wir einige Milram-Fahrer anfeuern und die Favoriten bestaunen konnten. Immer noch ein wenig durchnässt traten wir nach dem letzten Fahrer schnell den Weg zum Auto an und fuhren zurück, bis wir später schließlich wieder in Borsum angekommen waren. Mit den zahlreichen Eindrücken im Kopf freuten wir uns schon auf ein schönes Abendessen in der dazugehörigen Gaststätte, was sich leider als Flop entpuppte, denn diese war längst geschlossen. Ein wenig geschockt mussten wir feststellen, dass wir uns im Ort keine Hoffnungen auf eine Alternative zu machen brauchten und auch ein Anruf bei der Auskunft mit dem Ziel einen örtlichen Pizza-Bringdienst aufzutun, blieb vergebens. Somit bestand als eine letzte Möglichkeit die Fahrt in die nächst größere Gemeinde, wo wir nach langem Suchen ein gutbürgerliches Restaurant auftaten, das uns mit herrlichen Schnitzeln verwöhnte.

Tag 2: Erneut Regen und großer Jubel
Am nächsten Morgen versöhnte uns ein prächtiges Frühstück mit unserer Unterbringung und wir machten uns frisch gestärkt auf den Weg nach Assen, wo wir uns einen Streckenpunkt suchten, an dem die Fahrer zwei Mal entlang kommen würden, und uns bei erneut nichts Gutes verheißenden Wolken in Richtung des Starts begaben. Dort angekommen, bewegten wir uns nach zwei kleineren Schauern und dem Kauf eines Vuelta-Regenschirms in den Bereich der Teambusse, aus dem wir erst wieder herausgeleitet und dann wieder hereingelassen wurden. Strategisch günstig positionierten wir uns auf einer Verkehrsinsel, um zum Start rollende Fahrer optimal vor die Linse zu bekommen, was meinem fotographisch erfahrenen Begleiter deutlich besser gelang, sodass ich mich auf einen Videoschwenk beschränkte:

Der von Christopher mit Freuden erwartete Tom Boonen schlich sich leider am Gedränge vorbei, dennoch war die Nähe zu den Profis ein tolles Erlebnis. Natürlich im Regen gingen wir danach zurück zum Auto und richteten uns, in dem Bewusstsein noch lange bis zur Passage der Fahrer warten zu müssen, ein. Über Radio erfuhren wir, dass es Dominik Roels in die Ausreißergruppe des Tages geschafft hatte, sodass wir umso mehr den Profis entgegenfieberten. Als die Gruppe und einige Minuten später das Feld vorbeifuhren, machte ich ein zwei Videos:


Danach begann wieder eine etwas längere Wartezeit, in der ich mich mit ein paar fettigen Pommes an einer Bude stärkte. Bei der zweiten Passage aus entgegengesetzter Richtung verzichtete ich auf den weiteren Gebrauch meiner Kamera und versuchte stattdessen Roels mit „Auf geht’s Dominik, Hop!“ zu ermutigen, wenngleich sein Schicksal und das seiner Begleiter angesichts der Interessen der Sprintermannschaften besiegelt war. Nachdem auch das Feld vorbei gefahren war, machten wir uns wieder auf die Heimreise, die uns durch den lokalen Radiosender versüßt wurde, der sein ganzes Programm auf die Live-Berichterstattung und spanische Musik umgestellt hatte. So erfuhren wir durch einen packenden Sprintkommentar („Boonen, Boonen, Boonen, Bennati, Bennati, Bennati, Ciolek, Ciolek!“) von Geralds Sieg, der uns im Auto zu lauten Jubelschreien verleitete. Beseelt vom so wichtigen Sieg für die deutsche Sprinthoffnung erreichte ich um kurz vor sechs mit perfektem Timing in Schüttorf meinen Zug zurück nach Hause, wo ich schließlich glücklich um halb acht ankam und die Aufzeichnung der Etappe genoss. Insgesamt war es trotz des für die Spanienrundfahrt untypischen Wetters ein genialer Rennbesuch mit verdammt viel Spass.