Der baskische Radsport am Scheideweg

von cyclingreport

Euskaltel-Euskadi

In Zeiten der Globalisierung des Radsports, der erfolgreichen Großprojekte à la Sky oder Katusha, erleben wir ganz nah in Europa, wie eine Institution des Profiradsports um seine Existenz kämpft. Die Region, aus der Teile der fanatischsten Fans kommen, die alljährlich die Anstiege der Pyrenäen bevölkern, ist dabei ihre Identität stückweise zu verlieren. Die Rede ist vom Baskenland, in dem zum Einen die wichtigsten beiden Rennveranstaltungen ums Überleben kämpfen und in dem zum Anderen die inoffizielle Nationalmannschaft Euskaltel das eigene Konzept, das sie zum Unikat im Profizirkus macht, auf den Prüfstand stellt. Es war bereits im letzten Oktober, als düstere Schatten über Radsportnation in Orange aufzogen, nachdem sich der Olympiasieger und Aushängeschild des Teams, Samuel Sanchez, besorgt über die Zukunft seines Arbeitsgebers über den Ende 2012 auslaufenden Sponsoringvertrag hinaus äußerte. Nun ist das Baskenland wirtschaftlich keine Boomregion in Europa, weshalb sich der Kreis der potentiellen Geldgeber ohnehin stark eingrenzt. Als logische Schlussfolgerung tauchen nun Äußerungen der Verantwortlichen auf, man müsse darüber nachdenken, sich internationalen Sponsoren und somit auch ausländischen Fahrern öffnen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und das benötigte Budget von neun Millionen Euro jährlich aufzubringen. All dies sind wirtschaftlich wirklich sinnvolle Überlegungen, dennoch wären die Folgen für das Selbstverständnis dieser so leidenschaftlichen Radsportnation kaum abzusehen. In der ersten Zeit würden die Identifikationsfiguren Samuel Sanchez und Igor Anton weiter die Basken begeistern, doch tritt diese Riege einmal ab, könnte es schwierig sein, diese Faszination aufrechtzuerhalten. Zugleich dürften es nämlich baskische Talente etwa aus dem Orbea-Farmteam deutlich schwerer haben, den Sprung in den internationalisierten und damit höherklassigen Kader zu schaffen. Der Ausrüster Orbea bewirbt Euskaltel-Euskadi selbstbewusst mit dem Slogan „Más que un equipo“. Auf Dauer würde sich ein solcher Rennstall ohne diesen speziellen Nimbus kaum halten und man wäre eben nicht weiterhin „mehr als eine Mannschaft“. Es ist den Verantwortlichen daher zu wünschen, dass sie wirtschaftlich vernünftige Entscheidungen in Einklang mit der Teamphilosophie treffen.

Mit der Existenz- und Philosophiekrise von Euskaltel ist es im baskischen Radsport derzeit in Sachen Negativschlagzeilen leider noch nicht getan, denn die beiden anderen Stützen mit der heimischen Baskenland-Rundfahrt und der Clasica San Sebastian wackeln aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten massiv. Schuld daran ist die Schuldenkrise in Spanien, welche die staatlichen Zuschüsse massiv in Frage stellt. Die dortigen Regionalregierungen beteiligen sich in allen Teilen des Landes seit vielen Jahren in hohem Maße an der Renn- und Mannschaftsfinanzierung im Sinne der Tourismusförderung. Ohne diese finanzielle Unterstützung werden es die beiden Events sehr schwer haben, weiter zu bestehen und würden sich nach der Euskal Bizikleta (letzte Austragung 2009) und der Subida a Urkiola (letzte Austragung 2010) in die traurige Liste der erloschenen Wettbewerbe einreihen. Natürlich würden weiterhin tausende von begeisterten baskischen Fans bei der Tour de France die Pyrenäen bevölkern und für tolle Stimmung sorgen, doch auf lange Sicht wäre der Verlust besonders der prestigeträchtigen Landesrundfahrt nur schwer zu verkraften. Die Leidenschaft, wie man sie etwa an der Mauer von Aia bei der Vuelta al Pais Vasco bewundern kann, ist einfach erhaltenswert:

Die Ungewissheit über den Fortbestand der beliebten Rennen bewegt neben den Fans auch viele Fahrer im Peloton, von denen einige via Twitter mit dem Hashtag #SaveTheBasqueRaces ihre Besorgnis über die Entwicklungen zum Ausdruck brachten:

Es bleibt die Hoffnung, dass der baskische Radsport diese Zeiten ohne größere Schäden übersteht und einen Weg aus der Krise findet.