Richmond 2015 und andere Turbulenzen

Die Welttitelkämpfe eines jeden Jahres dienen neben der Suche nach neuen Trägern der Regenbogentrikots ebenfalls der Auswahl zukünftiger WM-Austragungsort. Nachdem ich im Februar einen Blick auf die interessante Vergabe für das Jahr 2015 geworfen hatte, sei an dieser Stelle dementsprechend die Auflösung der Frage betrachtet. Tatsächlich bekam mit Richmond in den USA diejenige Kandidatenstadt den Zuschlag, der ich es am wenigsten zugetraut hätte. Somit wird die speziell als Weltmeisterschaft der Globalisierungssprösslinge angelegte Wettbewerbswoche besonders die amerikanischen Radsportfans in Entzückung versetzen wird. Zu meiner Ehrenrettung sei erwähnt, dass Québec bereits im März zurückzog und das katarische Muscat unmittelbar vor dem Wahlgang die Segel strich. Über die Gründe war leider nichts zu lesen.

Nachdenklich stimmen jedoch derzeit andere Tendenzen im Profiradsport. Mit den Fusionen von Quick Step und Omega Phara so wie von RadioShack und Leopard-Trek und der Pleite der High Road-Gruppe verschwinden gleich drei große Rennställe und eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen. Nimmt man die abrupten Auflösungen bzw. das Nichtzustandekommen des Cervélo TestTeams und Pegasus Cycling im vergangenen Jahr hinzu, kommt man auf eine stattliche Anzahl gescheiterter Großprojekte. Offenbar zögern Großsponsoren massiv mit einem Einstieg, sei der sportliche Erfolg auch noch so enorm. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, so scheiterte etwa der Einstieg von Belgacom beim Team Leopard angeblich daran, dass eine Fokussierung auf belgische Fahrer und Rennen fehlte. Bei Omega Pharma und Lotto waren es unterschiedliche Vorstellungen über die Ausrichtung der Fahrerstruktur und bei Pegasus hatte man anscheinend Geldgeber eingeplant, deren Entscheidungsfindung noch nicht abgeschlossen war. Mit GreenEdge startet 2012 das nächste australische Großprojekt, diesmal hoffentlich mit mehr Erfolg. So oder so ist man in diesen Zeiten umso mehr dankbar für vielleicht weniger spektakulär ausgelegte, aber dafür solide Mannschaften wie Cofidis, Lampre, Euskaltel und Liquigas. Es beweist sich ein Mal mehr, ein behutsamer Aufbaus über eine längere Zeit, wie beim Slipstream-Rennstall von Jonathan Vaughters, am Ende die größten Früchte trägt und das über mehre Jahre.