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Notizen, Gedanken, Meinungen zum Profiradsport

Endlich: Ein Sonderheft zum Giro d’Italia

Finalmente! – Endlich!, wollte man sagen, als die Ankündigung des Degen Mediahouse lesen konnte, dass es ein Sonderheft im Stile des traditionellen Tour-Programms geben würde, schließlich stand die Italienrundfahrt in Sachen Spannung und Streckenführung der Tour de France in den letzten Jahren kaum nach und unter den Fans erreichte die Vorfreude auf die „Corsa Rosa“ ein immer höheres Niveau. Mit einem so spektakulären Kurs wie in diesem Jahr konnte der Giro kaum mehr gewürdigt werden, wie mit einem eigenen Sonderheft, das im Umfang und Qualität nicht hinter der Version für die „Grande Boucle“ zurücksteht. Wie von der Klasse der Procycling gewöhnt, wartet das Heft mit ausführlichen Favoriten-, Team- und Streckenvorstellungen auf und das in einem edlen Design. Neben dem Blick auf die kommende Rundfahrt findet sich auch vieles über die Historie des Rennens und bietet so ein perfektes Rundumpaket für vor und während des Giros. Deshalb ist das Heft definitiv eine Leseempfehlung!

Es ist sandig im Staate Dänemark




Gut eineinhalb Jahre nach meinem letzten Besuch eines Straßenrennens bei der Vuelta in „Holanda“ war es am diesjährigen sonnigen Osterwochenende wieder so weit. Zusammen mit Christopher Jobb, mit dem ich schon zur Spanienrundfahrt unterwegs gewesen war, sollte es hoch nach Dänemark gehen, um dort den durch zahlreiche Schotter- bzw. Sandpassagen fast legendären Grand Prix im kürzlich durch die Vergabe des Giro-Starts noch mehr bekannt gewordenen Herning am Samstag und am Tag darauf die erstmals mit 1.2-Status ausgestattete Himmerland Rundt zu verfolgen. Unsere Anreise begann am Karfreitag, als ich in Osnabrück zu Christopher ins Auto stieg und wir bei strahlendem Sonnenschein, der uns auch das weitere Wochenende begleiten sollte, nach Kiel fuhren. Für einigen Spaß sorgte unterwegs das Treffen eines Bullis des deutschen Teams Raiko-Argon 18 mit drei Fahrern, die sich ebenfalls auf den Weg nach Dänemark befanden und nach anfänglicher Verwunderung auf den im Rennstall gut bekannten Christopher reagierten. In Kiel angekommen vertrieben wir uns in der Bucht etwas die Zeit, bevor wir unser uns bei Patrick einquartierten und die Routen und Streckenbesuche für die kommenden zwei Tage planten.

Tag 1: GP Herning

Am nächsten Tag ging es in der Frühe zusammen mit den beiden ausgewiesenen Dänemark-Experten Patrick und Offi schließlich nach Herning, wo wir den Start der Fahrer zum insgesamt 199 Kilometer langen Rennen beobachteten. Die Besonderheiten des wichtigsten dänischen Eintagesrennen waren allerdings die so genannten „Grus“, nämlich sandige Schotterwege mit vielen kleinen und, wie wir später feststellen würde, großen Steinen. Solche Abschnitte, die insgesamt 30 Kilometer der Gesamtdistanz ausmachten, waren die Hauptanlaufpunkte unserer Streckenstationen und gleich der erste dieser Sektoren nach 18 Kilometern am Asbjergvej vermittelte einen Eindruck von der Faszination dieses Rennens. Nachdem wir uns perfekt in einer Kurve platziert hatten, kündigte sich das Feld samt Begleitkolonne durch eine große Staub- und Sandwolke an, bevor die hart kämpfenden Fahrer vorbeizogen:

Bei bestem Wetter steuerten wir die nächsten Streckenpunkte an und fanden uns bald darauf am Ausgang eines Grus-Stücks wieder, welches in einen Asphalt-Anstieg mündete, den wir eigentlich hatten passieren wollen, was jedoch zeitlich trotz der außerordentlichen Fahrkünste von Patrick nicht mehr klappte. Die sich von der Kurve aus botende Szenerie mit den aus dem bewaldeten Grus-Stück kommenden Fahrern machte aber viel her:

Mehr oder weniger zufällig wurden wir später auf dem Weg durch ein Waldstück namens Høgildgårdvej nördlich von Arnborg zu einem Anstieg hin auf einen weiteren beinahe kuriosen Abschnitt aufmerksam. Im flachen Bereich des Grus-Stücks vor dem Anstieg waren an einer Stelle nicht nur mehr kleine bis mittelgroße Steine zu finden, sondern vergleichsweise riesen Brocken. Etwas ungläubig inspizierten wir diese Stelle und fragten uns zwischenzeitlich sogar, ob wir nicht von der Strecke abgekommen waren.

Nach insgesamt 12 Stationen an der Strecke orientierten wir uns zurück nach Herning, um die Schlussrunden des Rennens zu verfolgen. Dort angekommen hatte sich bereits eine beträchtliche Menge an Zuschauern eingefunden, die lauthals ein inzwischen vorentscheidend ausgerissenes Spitzentrio mit Michael Reihs vom sich stets mit dem Rückkehrer Michael Rasmussen stark präsentierenden Team Christina Watches, Troels Ronning Vinther von Glud & Marstrand und dem ausnahmsweise für die dänische Nationalauswahl startenden Lars Ytting Bak, dessen Team HTC-High Road keine Mannschaft entsandt hatte, anfeuerte. Am Ende entschied den Sprint der Dreiergruppe Troels Vinther für sich, vor Michael Reihs und Lars Yitting Bak:

Im Anschluss an das Rennen begaben wir uns zum Campingplatz Ulbjerg, wo wir unsere Hütte bezogen und den Abend mit ein wenig sportlicher Betätigung, einem Tuborg-Bier und dem Sichten der Fotos ausklingen ließen.

Tag 2: Himmerland Rundt

Der zweite Tag des Dänemark-Wochenendes wurde im Vergleich zum Vortag wenig spektakulär, da die in diesem Jahr erstmals mit 1.2-Status bedachte Himmerland-Rundfahrt auf Grus-Passagen verzichtete. Da zudem der Start erst spät um Zwölf Uhr angesetzt war, gestaltete sich das Ausquartieren aus der Hütte und das Frühstück am Strand eines Fjords recht entspannt. Am Start in Ålestrup angekommen, wohnten wir der Teamvorstellung bei und besorgten Presseaufkleber, die uns später noch weiterhelfen sollte, für das Auto. Nachdem die Presseaufschriften mehr oder weniger sorgfältig angebracht waren, begaben wir uns noch vor dem Start schon in Richtung Strecke, die wir an am Hegedalsvej, dem Hügel Rebild Bakker, in Öster Hornum, in Sebbersund an der Verpflegung und in Vilsted besuchten. Landschaftlich hatte die Tour durch Himmerland einiges zu bieten, war aber jedoch trotz einiger kleinen Steigungen nicht annähernd so selektiv wie der GP Herning am Vortag. Am Ende machte im Zielort Farsø schließlich eine größere Gruppe den Sieg unter sich aus, welchen schließlich der bereits am Vortag stark gefahrene Zweitplatzierte Michael Reihs vom Team Christina Watches im Sprint vor dem sich später über die Fahrweise von Reihs echauffierenden Rasmus Guldhammer vom Team Concordia und Soren Pusdahl von Energie Fyn davon trug. Überhaupt hatte sich Christina Watches am gesamten Wochenende stark präsentiert und auch der Star des Teams, Michael Rasmussen, hatte sich in den Dienst der Mannschaft stellend um das Tempo in den Gruppen bemüht. Im Zielbereich, der mit einer Großleinwand, auf der die GPS-Positionen der Fahrer, die Durchgangslisten auf den Zielrunden und einige Livebilder gezeigt wurden eilte nach Rennende ein zuvor laut jubelende Christina Watches-Betreuer herum und stellte mir mit der Bitte um Aufbewahrung das Siegerrad vor mir hin, da er offenbar seinen Fahrer suchen musste. Es war definitiv ein nettes Gefühl, ein solches DeRosa-Schmuckstück in seiner Obhut zu haben, auch wenn es nur ein temporäres Vergnügen war, da der nette Herr die Rennmaschine bald wieder abholte.

Aus Zeitgründen auf die Siegerehrung verzichtend, machten wir uns wenige Minuten später auf den langen Heimweg, der für mich schließlich um Mitternacht zu Hause endete. In diesem Sinne nochmals danke an Christopher (dessen Eindrücke man hier nachlesen kann), Offi und Patrick. Bei aller Müdigkeit und Erschöpfung war dies ein äußerst interessantes Wochenende mit tollen Rennen, von dem die Eindrücke wohl noch einige Zeit haften bleiben werden. Mal schauen, wann sie aufgefrischt werden.

Faszination Flandern-Rundfahrt

Mit den drei Tagen von De Panne liegt nun auch das letzte Vorbereitungsrennen auf die Flandern-Rundfahrt hinter uns und so langsam steigt die Nervösität in Richtung Sonntag. Grund genug, an dieser Stelle mal ein wunderbares Video zu präsentieren, das vor drei Jahren von der niederländischen Zeitschrift „Het Nieuwsblad“, ihres Zeichens seit jenem Jahr 2008 Namenssponsor vom ehemaligen Omloop Het Volk, produziert wurde. In liebevoller Art und Weise transportiert es mit Impressionen vom Rand der Strecke vor dem Start die Faszination Ronde van Vlaanderen und die tiefe Verwurzelung des Sports in Belgien. In diesem Sinne: Wij zijn er klaar vor!

Marketing, wie es sein sollte

Die Zeiten, wo sich der einzige Werbeeffekt eines Radsportteams auf die visuelle Wirkung des Trikots beschränkte, sind wahrhaftig vorbei. Ein Twitter-Account, Facebook-Profil und eine äußerst professionelle Webseite gehören fast durchweg zum guten Ton und werden bis auf wenige Ausnahmen von beinahe allen Rennställen der WorldTour beherzigt. Auch für die Fans bietet sich dadurch ein großer Mehrwert, denn viele der besten Beispiele aus diesem Bereich transportieren in beinahe kinoreifer Art und Weise die Faszination Profiradsport. Mir persönlich haben es besonders die als Dokumentationen oder Imagefilme aufbereiteten Videos der Mannschaften angetan. Unübertroffen ist dabei die Firma Cervélo, die mit der Gründung des TestTeams im Jahre 2009 die Dokumentation „Beyond the Peloton“ ins Leben rief und in der ersten Saison 29 Kurzreportagen produzierte. Interviews, großartige Aufnahmen und ein Blick in das Teamleben wurden wunderbar aufgearbeitet zu absoluten Kult. Mittlerweile ist „Beyond the Peloton“ als Partner des Teams Garmin-Cervélo in die dritte Saison gestartet und schon die Einführungsfolge in das Jahr 2011 erzielte nach einer Woche über zehntausend Klicks. Es wäre vermessen von jedem Team solche Schmuckstücke zu fordern, aber so nach und nach entdecken mehr und mehr Mannschaften die Wirkung solcher Videos. So war es etwa die italienische Squadra Liquigas, die mit dem Kurzvideo „Never Sattle“ eine kämpferische Ansage für die kommende Saison mit einer Fahrervorstellung verbannt. Etwas ausführliche tat ihnen dies die baskische Mannschaft Euskaltel-Euskadi bzw. dessen Radsponsor Orbea gleich und versuchte unter dem Titel „Orange Passion“ einen Eindruck der Faszination baskischer Radsport zu geben. Auch im Jedermannbereich produzierte Pinarello zur Werbung für den eigenen Radmarathon zuletzt ein sehr sehenswertes Video. Wie man sehen kann, haben vor allem die Radhersteller ein Interesse an diesen Videos, schließlich können sie so die eigenen Maschinen zusammen mit den Profis ins rechte Licht rücken. Profiradsport ist nämlich mehr als Wettkampf, es ist auch ein Lebens- und nicht zuletzt ein Modestil.

Das zwitschernde Peloton

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Längst ist Twitter kein neues Phänomen mehr, sondern ein internationales Massenmedium. Seit Jahren kontinuierlich gewachsen, hat ebenso der Radsport diese Art als Kommunikationsmittel entdeckt. Im Jahr 2008 waren Slipstream und Rock Racing noch Pioniere in diesem Bereich, über Lance Armstrong, der via Twitter in seine Livestrong-Kampagne und sein Comeback einen tiefen Einblick gewährte, kamen mehr und mehr Mannschaften und Fahrer auf den Trichter des Kurzbloggings. Auch Rennveranstalter sahen so eine Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand einen Liveticker für eine große Öffentlichkeit zu schaffen, die Begrenzung auf 140 Zeichen pro Tweet störte da kaum. Mit den wachsenden Zusatzfunktionen von Twitter zum Veröffentlichen von Bildern und Videos entstand mehr und mehr ein Einblick in die Welt der Radprofis. Ob Bilder von Trainingsausfahrten, aus dem Teambus oder exklusive Informationen über laufende Rennen von Sportlichen Leitern oder Mechanikern aus dem Auto – plötzlich schien man als Fan und Beobachten um Lichtjahre näher dran im Geschehen. Mittlerweile ist Twitter sogar als Co-Sponsor bei der Equipe Radio Shack von Top-Twitterer Armstring einestiegen und erscheint seit 2011 mit einem Logo auf dem Trikot. Beim Team Liquigas weist man auf den Namensaufklebern auf den Rädern sogar auf die einzelnen Fahreraccounts hin:

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Auch für mich wurde Twitter als Werbung für die Artikel von Cycling Report bald sehr wichtig und so begann ich neben dem Posten von Links zu den neuesten Artikeln mit dem Sammeln von Accounts aus dem Bereich des Profiradsports. Angefangen mit einem Thread auf Cycling4Fans bot später die Einführung eines Listenfeatures die genaue Sortierung. Mittlerweile umfasst diese Katalogisierung neben den Profis, Teams und Rennen auch Betreuer, Manager, Funktionäre, Medienleute, Verbände und Radsportlerinnen, die ich in der Folge hier kurz auflisten möchte:

Beinahe wird man so 24 Stunden am Tag mit Informationen oder interessanten Nebensachen versorgt, wobei der Überblick manchmal schwer fällt. Wenngleich inzwischen fast ganze Mannschaft dem kollektiven Zwitschern fröhnen, sollte man sich nicht irre führen lassen: Auch wenn Tweets authentischer wirken, auch auf Twitter wird nur das veröffentlicht, was gezeigt werden soll. Nichtsdestotrotz macht es das Menschliche in den Sportlern deutlich, die nun mal beleibe keine Maschinen sind.

Duell der Globalisierungssprösslinge

Wenn im Herbst dieses Jahres im Rahmen der Welttitelkämpfe in Kopenhagen die Entscheidung über die Vergabe der wichtigsten internationalen Meisterschaft im Jahr 2015 fällt, wird man dies bei der UCI den Höhepunkt der eigenen Strategie feiern. Die hohen Herren des Weltverbandes werden dann nämlich ein besonderes Auswahlverfahren zum Abschluss bringen, das ein weiterer Schritt in der angestrebten Globalisierung darstellt. Erstmals waren als Bewerbungsstätten nur Orte außerhalb Europas zugelassen.

Mit der Einführung der ProTour gab man, damals noch unter der Führung von Hein Verbruggen, als Ziel die weitere Verbreitung des Radsports auf bis dahin nicht mit Spitzenevents in Erscheinung getretenen Kontinente aus. Nach und nach erfolgten die Schaffung bzw. Aufwertung etwa der Katar Rundfahrt oder der Tour Down Under. In diesem Jahr soll dieser Weg zudem in Asien mit der neu kreierten Peking-Rundfahrt voran getrieben und ausgebaut werden. Vor allem die mächtige Amaury Sport Organisation sah das Potential der globalen Wachstumsmärkte für den Radsport und schuf mit der Katar-Rundfahrt (für Männer und Frauen), dem Pendant im benachbarten Oman und der in Afrika gleich drei Rundfahrten, von denen beiden erstere sogleich mit Eddy Merckx als Mitorganisator und Aushängeschild ausgestattet wurden. Im französischsprachigen Teil Kanadas, dem Québec, nahm man diese Bestrebungen der UCI auf und schuf zwei hochklassige Rennen, die im vergangenen Jahr von den Zuschauern und den Profis positiv aufgenommen wurden.

Wie die UCI mit der Bekanntmachung der Kandidaten es vor wenigen Tagen offiziell machte, hat man nun nach Melbourne im vergangenen Jahr im September bei der UCI die Wahl ein weiteres Globalisierungsprojekt in die Weihen einer Weltmeisterschaft zu erheben. Für das Königreich Oman spricht die große finanzielle Sicherheit als auch ein vielleicht bisher nie dagewesenes Rennszenario mit einer Mischung aus steilen Anstiegen und Windkantenfahren. Wahrlich Zuschauerfreundlich wäre dies allerdings nicht, schließlich ist die WM alljährlich ein Treffen von Fans aus allen teilen Europas und der Welt, die sich eine Reise zwei Mal überlegen würden. Klimatisch wäre zudem im Frühherbst durchaus noch mit tropischen Temperaturen zu rechnen. Québec ist im Vergleich diesbezüglich ein Gegenentwurf zum Austragungsort Oman, schließlich ist man dort durch die Geschichte stark europäisch geprägt, französische Topfahrer wie Thomas Voeckler sind nicht erst seit ihrem Auftreten bei den beiden WorldTour-Events dort ein Begriff. Von den drei Kandidaten wäre dies also die europäischste Lösung mit der wahrscheinlichen Charakteristik eines mittelschweren Klassikers. Dagegen sehe ich Richmond in Virginia als nahezu chancenlos an. Um eine Weltmeisterschaft in die Staaten zu vergeben, wäre es eher nötig die Tour of California als Zugpferd zu verwenden, um den „Sonnenstaat“ für die exzellente Durchführung des wichtigsten amerikanischen Events zu belohnen. Richmond weist hingegen kaum Events von internationaler Bedeutung auf, eine kleine Recherche förderte lediglich einen gewissen Richmond GP aus dem Jahre 1999 und die Austragung der offenen amerikanischen Meisterschaft 2007 zutage. Als Argument gegenüber den perfekten Wettkämpfen im Oman und Québec taugt dies nicht. Außerdem standen zahlreiche amerikanische Rennen in letzter Zeit unter einem ungünstigen finanziellen Stern, wenngleich in diesem Jahr mit der Quiznos Challenge ein neuer Wettbewerb ausgehoben wurde. Zugleich ruhten jedoch die Tour of Georgia sowie die Tour of Missouri weiterhin und könnten bald dauerhaft verschwinden. Bei diesen ungünstigen Voraussetzungen dürfte auch der Fakt, dass es seit 25 Jahren keine amerikanische Weltmeisterschaft mehr gab und die starke amerikanische Basis nicht besonders helfen. Sollte allerdings, wie die Gerüchte besagen, die Sportmarketing-Agentur Shadetree von UCI-Präsident Pat McQuaids Bruder Darach McQuaid die Federführung der Bewerbung übernehmen, bekäme das Szenario noch eine spektakuläre Wendung.

Funkstille bitte!

Kaum ein Thema polarisiert derzeit so im Peloton und sorgt für eine offene Konfrontation zwischen Weltverband so wie Team- und Fahrervereinigung wie das des Streits über die weitere Zukunft des Teamfunks. Schon in der vergangenen Saison hatten Profis und Teamchefs die offene Machtfrage gestellt und die UCI herausgefordert, die sich allerdings nicht beirren ließ und für 2011 das Teamfunkverbot auf die Rennen der Kategorie 1.HC/2.HC ausweitete, nachdem 2010 nur Events der Klasse 1.2 und 2.2 betroffen waren. Seinen Ursprung hatte die Kontroverse im Jahr 2009 mit dem Funkverbot auf zwei Etappen der Tour de France genommen, doch schon damals hatte man sich seitens des Veranstalters vor jenem zweiten Teilstück zur Einstellung des Vorhabens nach massiven Protesten entschlossen. Die massive Gegenwehr der Rennställe, die sogar in einer Petition Ausdruck fand, bremste zunächst den Reformeifer, doch Stück für Stück will sich die UCI mit dem Funkverbot bei den Rennen emporarbeiten. Jüngst brach die Konfrontation erneut auf der ersten Station der Mallorca Challenge durch und sorgte für eine Startverzögerung. Dabei sind es letztlich beide Seiten, die ein Fortkommen und eine vernünftige Lösung in dieser Sache verhindern, denn Missverständnisse und die Verweigerungshaltung einiger Personen blockieren die Entwicklung im Profiradsport. Das Hauptargument der Verbotsgegner ist stets die Sicherheit der Fahrer, dabei müssen Einbußen in diesem Bereich nicht zwangsläufig die Folge eines Radiobanns sein. Knifflige Passagen könnten beispielsweise über einen Ein-Kanal Funk von Radio Tour den Fahrern mitgeteilt werden. Vielleicht wäre ein Teamfunk bei einer Konversation zwischen Fahrer und Sportlichen Leiter schneller, zu Gunsten einer Steigerung der Spannung und der Unberechenbarkeit der Wettkämpfe wäre dies jedoch zu verkraften. An dieser Stelle muss vielleicht auch ein Umdenken im Peloton erfolgen, nachdem nicht nur das eigene Rennverständnis, sondern auch das selbstständige Erkennen von Gefahrensituationen mehr Einzug erhält. In kniffligen Situationen wäre es gerade sogar im Sinne der Sicherheit besser sich etwas zurückzuhalten anstatt im Gefühl der vermeintlich durch den Funk garantieren Sicherheit ohne größere Bedenken beispielsweise eine enge Kurve mit maximalem Risiko zu fahren. Zudem wäre eine taktische Abstimmung im Team auch durch das persönliche Gespräch am Mannschaftswagen weiterhin gegeben. Gleichzeitig würden Rennverständnis der Fahrer gefördert und überraschende Rennergebnisse wahrscheinlicher. Alle bisherigen Versuche bestätigen dies, so gelang es beispielsweise Jérémy Roy aus einer dreiköpfigen Spitzengruppe heraus beim GP d’Ouverture Marseillaise, dem ersten Rennen im französischen Pokal, dem gesamten Feld zu trotzen und den Sprintern ein Schnippchen zu schlagen. Überhaupt lässt sich in diesem Konflikt ein Gefälle zwischen bestimmten Teams erkennen, denn während beim angesprochenen französischen Pokal das Prozedere akzeptiert ist, üben sich die großen Teams wie RadioShack, Leopard-Trek und weitere in massiver Kritik. Neben allen berechtigten Sicherheitsbedenken scheint bei den Motiven die Angst vor dem Verlust der eigenen Favoritenposition eine nicht untergeordnete Rolle zu spielen. Denn plötzlich könnte die aggressive Fahrweise etwa der kleineren französischen Teams nicht mehr so leicht kontrollierbar sein und mehr Früchte tragen. Kritik muss sich aber auch die UCI gefallen lassen, denn wie so oft ist ein nicht geringer Grund für die Verstimmungen die verfehlte Kommunikation und der Alleingang des Weltverbands. Die Mannschaften haben nicht Unrecht, wenn sie argumentieren, dass bei fünf Millionen an die UCI für Lizenzen und Antidopingmaßnahmen bezahlten Euro eine entsprechende Einbeziehung angebracht wäre. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, ein goldener Mittelweg ist derzeit noch weit entfernt. Fest stehen scheint im Moment nur, dass weitere Protest- und Boykottaktionen wohl folgen werden, letztlich kann es aber im Sinne der Attraktivitätssteigerung der Rennen nur in Richtung weniger Funk gehen. Wie glatt dieser Weg dorthin verlaufen wird, hängt von den Protagonisten in diesem Streit ab.

Raumschiff UCI

Die Saison 2011 ist seit diesem Wochenende auf nun fast allen Kontinenten, also auch Europa, voll im Gange. Bis zum gestrigen Tage hatte es den Anschein, als könne das kommende Jahr mal ganz frei von Konflikten zwischen Weltverband und den Rennveranstaltern von Statten gehen, schließlich scheinen mittlerweile alle Rahmenbedingungen der WorldTour geregelt. In Aigle schien der UCI diese Ruhe jedoch ganz besonders zu missfallen und so rieb man sich etwas verwundert die Augen, als eine Pressemitteilung der höchsten Institution des Radsports die Runde machte, nach der auf Basis der Continental-Rankings der letzten beiden Jahre eine Liste von Conti-Teams genannt wurde, welche die Teams umfasst, die von den Veranstaltern zwingend für ihre Rennen eingeladen werden müssen. Während dies in Europa nur die Wettkämpfe der Kategorie 1.1 und 2.2 betrifft, sind auf allen anderen Kontinenten auch die HC-Events betroffen. Prinzipiell ist ein solches Qualifizierungssystem über die ContinentalCircuits der richtige Weg, doch auf den zweiten Blick entpuppt sich diese Maßnahme als wirklichkeitsfern und umständlich. Ein Blick auf die nun fest qualifizierten Mannschaften verdeutlicht dieses recht schnell:

EuropeTour
1. Rabobank Continental
2. Roubaix Lille Metropole
3. D’angelo & Antenucci – Nippo
AfricaTour
1. MTN Qhubeka
2. Team Bonitas
AmericaTour
1. Movistar Team
2. Gobernacion De Antioquia-Indeportes Antiquia
3. EPM-UNE
AsiaTour
1. Tabriz Petrochemical
2. Azad University
3. Giant Kenda
OceaniaTour
1. Pureblack Racing
2. Genesys Wealth Advisers
3. Drapac

Als Konsequenz ergibt sich beispielsweise daraus, dass die Tour of California drei Südamerikanische Teams einladen muss und so andere nordamerikanische Mannschaften in die Röhre schauen werden und das selbst wenn sich Professional Continental-Status besitzen. Zwar wird so die sportliche Klasse eines Teams honoriert, dennoch sollte man vorher die unterschiedlichen Voraussetzungen auf großen Kontinenten beachten, schließlich finden in Südamerika zahlreiche lange Rundfahrten statt, bei denen die regionalen Formationen viele Punkte sammeln können. Entsprechend verwundert war man deshalb beim Veranstalter der Tour of California, die zu allem Überfluss weder vom nationalen noch vom Weltverband im Voraus informiert wurden. Stutzig machte dabei auch die Nennung des Movistar Nachwuchsteams in dieser Liste, schließlich ist diese Mannschaft erst seit 2011 existent. Grund dafür ist, dass die Punkte der Fahrer zählen, auch wenn sie im Vorjahr garnicht Angehörige des entsprechenden Rennstalls waren. Alles in allem hat die Maßnahme der UCI den Charakter eines unüberlegten Schnellschusses, der die Veranstalter in ihrer Einladungspolitik teilweise in absurder Art und Weise einschränkt und die kleinen Mannschaften eventuell ihrer regionalen Highlights beraubt. Vor allem aber kommt diese Richtlinie viel zu spät. Hätte man sich ein Jahr vorher zur Bekanntmachung dieses Plans entschlossen, hätte man die Meinungen aller beteiligten Parteien dazu anhören und Änderungen vornehmen können. So war es den Teams unmöglich ihr Rennprogramm so zu gestalten, um genügend Zähler für ihre Saisonhöhepunkte 2011 zu ergattern, schließlich konnte niemand erahnen, dass beispielsweise das nordamerikanische Team Kelly Benefit Strategies mehr Augenmerk auf die südamerikanischen Wettkämpfe hätten legen müssen, um sicher für die Tour of California und die Quiznos Challenge gesetzt zu sein. Nun müssen Veranstalter und Teams das Beste aus dieser unnötigen Situation machen und ihren Sponsoren erklären müssen, warum das eine oder andere Rennen ohne sie stattfindet. Ein bißchen mehr Realitätsbezug könnte den raumschiffgleich über allem schwebenden Funktionären bei der UCI wahrlich nicht schaden.

Ein frostiger Traum in Weiss: Das Herforder Silvestercross 2010



Der letzte Tag eines jeden Jahres ist seit 50 Jahren bei uns in der Nähe im ostwestfälischem Herford dem Crossradsport gewidmet, der durch die Austragung des traditionellen Silvestercross-Rennens des örtlichen RC Endspurt mit zahlreichen Rennen in den verschiedenen Wettkampf- und Altersklassen gefeiert wird. Über die Region hinaus besitzt diese Jahresabschlussveranstaltung seit je her eine gewisse Anziehungskraft für ein internationales Fahrerfeld, das dem Traditionsevent eine Wertigkeit verleiht, welche durch die in der Siegerliste verewigten Cross-Größen wie Rolf Woflshohl, Klaus-Peter Thaler, Radmir Simunek Senior oder Mike Kluge unterstrichen wird. Im Jahr 2008 beherbergte Herford sogar die deutsche Cross-Meisterschaft, die ich damals ausgestattet mit einem Presseausweis von Live-Radsport besuchte und wo ich so erstmals die faszinierend dreckige Querfeldein-Atmosphäre schnupperte. In den vergangenen Jahren fiel der 31. Dezember stets in die Zeit meines Skiurlaubs, weshalb ich erst dieses Jahr wieder die Möglichkeit fand, das Crossrennen des RC Endspurt Herford zu besuchen. Im Gegensatz zu der eher im Zentrum befindlichen Meisterschaftsstrecke ist das jährliche Rennen beim Elisabethsee zuhause, so auch diesmal, wenngleich die Strecke etwas verändert wurde und der Kurs nunmehr in der Nähe des Sees angesiedelt war, anstatt „Rund um“. Auch in diesem Jahr umfasste die gesamte Veranstaltung mit Rennen in der U15-Schüler-Klasse, der Jugend U17-Klasse, mehreren Masters-Rennen und schließlich den Entscheidungen bei den Junioren und Frauen (gleichzeitig ausgetragen) und der Herren Elite-Klasse (zusammen mit der U23) ein vielfältiges Programm, dessen Durchführbarkeit jedoch aufgrund der massiven Schneefälle erst wenige Tage vor dem Rennen definitiv bestätigt werden konnte. Mit schwerem Raumgerät und der großartigen Leistung der Helfer wurde ein toller Kurs hergerichtet und auch für die Zuschauer waren ausreichend Parkmöglichkeiten und Verpflegung vorhanden. Angesichts der trotz des zwischenzeitlichen leichten Tauwetters weiterhin sehr winterlichen Wetterverhältnissen entschieden wir uns dagegen, schon ganz früh anzureisen und betraten erst um Zwölf Uhr das Gelände, wo man von netten Streckenposten begrüßt und nach dem Kartenkauf mit einem Schnaps wieder aufgewärmt werden wurde (wovon ich allerdings keinen Gebrauch machte). Nach einer kurzen Orientierungsphase fanden wir uns bald im Zielbereich ein und verfolgten das zweite Seniorenrennen zu Ende, das in überzeugender Manier von Jens Schwedler gewonnen wurde:

Vor dem Junioren-/Damenrennen stärkten wir uns erstmal mit einer Bratwurst und gingen in Richtung Waldstück, wo wir uns allerdings nicht lange aufhielten. Bei den Damen gewann nach einer perfekten und trotz des Untergrunds stilistisch einwandfreien Fahrt Sabrina Schweizer vor Gesa Brüchmann und fuhr sogar den einen oder anderen Juniorenfahrer auf.

Bemerkenswert war auch der dritte Platz der erst 16-jährigen Annefleur Kalvenhaar. Nach nun mehr eines etwas längeren Verharrens auf dem eisigen Untergrund musste vor dem Herren-Rennen eine weitere Stärkung in Form von Kuchen und heissem Kaffee her, mit der wir uns auf das Finale vorbereiteten. Die Strecke ließ sich vom Zielbereich aus hervorragend einsehen, sodass man von der gleichen Stelle auch die unmittelbare Startphase des hart umkämpften Elite-Wettkampfes beobachten konnte. Für einige Erheiterung sorgte eine Wette zwischen den Gebrüden Daniel und Dominic Klemme, die, so wurde von Malte Urban verraten, einen Hunderter gesetzt hatten, wer von ihnen als Erster die Ziellinie überqueren würde.

Wenngleich einige Zuschauer bald nach Rennende den Kurs verließen wurden die drei Erstplatzierten nach einem kurzen Interview noch würdig für ihre Leistung auf dem Podium, direkt hinter der Stelle, von der wir zuvor das Rennen gesehen hatten, geehrt:

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Auch wir verließen die Szenerie bald und begaben uns auf den Heimweg. Zuhause wurden dann bei dem einen oder anderen Baileys die tollen Eindrücke des Silvestertages Revue passieren gelassen. Gerade das hingebungsvolle Engagement der Ausrichter, trotz der Wetterverhältnisse das Event unbedingt auszurichten, war mehr als eindrucksvoll und verdient großen Respekt.

Jahr eins nach Milram: Sanierung von unten

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Foto: Upsolut/Hochzwei

Was musste sich der deutsche Radsportfan nicht in den letzten Jahren beim langsamen Sterben der Spitzenrennställe T-Mobile, Gerolsteiner und Milram mit düsteren Schreckensszenarien herumplagen, gar vom endgültigen Kollaps des Profiradsports hierzulande war die Rede. Nach dem unzweifelhaft als äußerst bitter einzuschätzenden endgültigen Aus für Milram fühlten sich viele bestätigt, doch wer in diesen Wintermonaten den Radsport in Deutschland beobachtet, wird eines feststellen: Eine Sanierung des Sports aus der zweiten Reihe heraus. Für eine solche Entwicklung häufen sich mehr und mehr die Anzeichen. Jüngster Höhepunkt war die Ankündigung der Upsolut-Agentur den von ihr seit drei Jahren als Jedermann-Event veranstalteten Velothon zukünftig ab 2011 auch als Profi-Rennen der Kategorie 1.1 auszuschreiben und diesen bis 2013 in die höchste Rennliga, die World Tour, zu führen. Für den deutschen Radsport ist ein Profirennen auf der glamourösen Strecke des Velothon mit Passage des Brandenburger Tors nach Jahren des bitteren Sterbens von Veranstaltungen ein Glücksfall und neben den Vattenfall Cyclassics ein mögliches tolles Aushängeschild. Neben dieser Nachricht, sorgt ebenso die Entwicklung im Bereich der Rennställe für einen hellen Lichtstreif am Horizont. Mit dem vom Radsportgroßhandel Raiko gesponserten gleichnamigen Rennstall, dem Team NSP und der aus dem Halanke-Rennstall um Sven Krauß hervorgehenden Mannschaft PB Racing haben neben den alten Bekannten Eddy Merckx-Indeland (vorher Kuota-Indeland), LKT Brandenburg, Nutrixxion Sparkasse, Thüringer Energie, Seven Stones und Heizomat insgesamt drei neue Teams den Sprung in die Continental-Klasse geschafft und füllen das Feld der deutschen Teams in dieser Klasse auf nun mittlerweile neun Stück auf. Somit dürfte der gefürchtete Domino-Effekt für die zweite Reihe und eine Verschlechterung der Arbeitsplatzanzahl für junge Fahrer wohl ausbleiben und sich vielleicht sogar ins Gegenteil verkehren. Dass das ambitionierte Team NetApp jüngst ohne Probleme die ProContinental-Lizenz bekam und 2011 in der zweiten Klasse unter anderem mit dem gewichtigen Neuzugang Steven Cozza auftrumpfen kann, ist eine schönere weitere Notiz, die den geradlinigen Weg von der Truppe um Teamchef Jens Heppner ganz nach oben unterstreicht. Wenn die übrig gebliebenen deutschen Rennen nun ihren Fortbestand dauerhaft sichern, könnte sich mit zusammen mit der jüngsten Welle an positiven Anzeichen wieder eine kleine Radsportdynamik in Deutschland entwickeln. Bei allen positiven Meldungen bleibt der Aufschwung brüchig, das Fundament für eine neues Erscheinungsbild könnte aber bald gelegt sein.